Wasserkraftwerk Lißberg
Raus aus der Atomkraft, rein in die erneuerbaren Energien

In Lißberg erzeugt die OVAG auf eine besonders umweltfreundliche Weise Energie, und das schon seit 1923. Das Nidderkraftwerk stammt aus einer Zeit lange vor Fukushima, und doch ist die Idee, die dahinter steht, brandaktuell: Energiegewinnung aus Wasserkraft. Neben Sonne, Wind und Biomasse könnte in Zukunft Wasserkraft als Energielieferant eine wesentliche Rolle spielen. In Lißberg produziert die OVAG im Jahr durchschnittlich 3,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Das deckt immerhin den Jahresbedarf von etwa 2300 Haushalten. Randolf Hess betreut das Kraftwerk vor Ort und sorgt unter anderem dafür, dass immer nur soviel Wasser durch die riesigen Turbinen strömt, wie es die Pegelstände in den Stauseen zulassen. In Hirzenhain und im Lauf des Hillersbachs wird das Wasser gestaut. Durch ein kilometerlanges Röhrensystem wird das Wasser zum Kraftwerk geleitet.

Randolf Hess betreut das Kraftwerk

Der Bau des Kraftwerkes war in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Projekt von unglaublichen Dimensionen. 1906 begannen die Planungen. Die OVAG hieß damals noch „Überlandwerk der Provinz Oberhessen“ und computergestützte Messverfahren und Hightech-Gerät für die Bauarbeiten gab es nicht. Nach dem Bau der Eisenbahnlinien war die Versorgung der Menschen mit Strom das zweite große Infrastrukturprojekt. 20000 Menschen wollte man durch das Kraftwerk mit Strom versorgen. Heute nimmt der Besucher eigentlich nur die große Maschinenhalle mit den Turbinen und Generatoren als Kraftwerk wahr. Aber in Wirklichkeit gehören die Stauseen, die großen Leitungssysteme – eine Art Stollen – und das so genannte Wasserschloss ebenfalls zum Kraftwerk. Hillersbach und der Stausee in Hirzenhain speichern 160000 Kubikmeter Wasser. Über ein Fallrohr mit einem Durchmesser von 1,60 Meter schießt das Wasser vom Druckausgleichsbehälter „Wasserschloss“ zum Kraftwerk.

Wer heute die große Maschinenhalle des Kraftwerkes betritt, nimmt als erstes durch lautes Brummen und ein Vibrieren der Maschinen die unglaublichen Kräfte des Wassers wahr. Etwa drei Kubikmeter Wasser fließen in der Sekunde durch die Turbinen, die aus dem Jahr 1921 stammen und immer noch tadellos ihren Dienst versehen. Zwei Maschinensätze stehen in dem Kraftwerk, der kleinere Maschinensatz leistet 750 Kilowatt, der größere 1500 Kilowatt. Die großen Schwungräder drehen sich unablässig und die Kraft des Wassers wird über eine Kupplung zu den Generatoren geleitet. Diese erzeugen dann den Strom. Außer den Turbinen hat die OVAG über die Jahrzehnte die Anlage immer wieder erneuert und modernisiert. 1985 wurde das Rohrsystem überholt und erneuert, 2001 wurden die Staumauern mit Stahlbeton verstärkt. Die Pegelstände der Speicherseen kann Randolf Hess direkt an Bildschirmen in den Maschinenschränken ablesen.

Hess kümmert sich alleine um die gesamte Anlage. Neben der Regelung der Anlagen und den Wartungsarbeiten an den Maschinen bedeutet das, er muss auch die Zu- und Abläufe an den Speicherseen freihalten. Täglich fährt er zu den Stauseen in Hillersbach und Hirzenhain. Gerade im Herbst verstopft das Laub immer mal wieder die Zuläufe. Es gibt wohl wenige Menschen, die mit ihrem Arbeitsplatz so verbunden sind, wie Randolf Hess. Auch wenn er Urlaub hat, schaut er in Lißberg immer mal wieder nach dem Rechten, mäht zwischendurch den Rasen und schneidet die Hecken. Kein Wunder, dass er „sein“ Kraftwerk auch gerne präsentiert. Regelmäßig besuchen Schülergruppen das Nidderkraftwerk. Zahlreiche Bilder und historische Dokumente aus der Zeit, in der das Kraftwerk gebaut wurde, hängen an den Wänden des großen Maschinenraums. Schaubilder klären über die Funktionsweise auf.

Das Kraftwerk in Lißberg erzeugt in Vergleich zu anderen Kraftwerken eine bescheidene Menge Strom, aber dieser Strom ist ökologisch und CO2-neutral produziert. Und bedenkt man, dass zumindest die Turbinen immer noch die gleichen sind wie 1921, dann könnte man das Prädikat „nachhaltig“ auch noch verleihen. Die OVAG verspricht, dass das Wasserkraftwerk noch mindestens bis 2031 in Betrieb sein wird, als „Symbol für ein konsequentes Engagement für erneuerbare Energien.“