Oberhessen - mittlerweile wieder in aller Munde

Im Mittelalter wurde der nördliche Teil Hessens als Niederhessen bezeichnet und der südliche Teil als Oberhessen.  Getrennt wurden diese beiden Teile zunächst durch die freie Grafschaft Ziegenhain. Bis in die Mitte des 15. Jahrhundert. Graf Johann II hinterließ keine Erben, Ziegenhain fiel an Hessen zurück und so war die Lücke zwischen Nieder- und Oberhessen wieder geschlossen. Als Landgraf Ludwig 1458 starb, erhielt sein Sohn Heinrich III den südlichen Teil einschließlich Marburg (Oberhessen) und sein Sohn Ludwig II den nördlichen Teil (Niederhessen). Einzelne Teile Oberhessens wurden immer wieder Gegenstand von Erbstreitigkeiten. Und kam es, dass es bis ins 19. Jahrhundert eigentlich zwei Gebiete gab, die sich Oberhessen nannten. Zum einen der südliche Teil der Landgrafschaft Hessen-Kassel mit Marburg, Kirchhain und Frankenberg und die nördlich des Mains gelegenenen Gebiete um Gießen, Grünberg, Alsfeld und Butzbach.

Dieses Oberhessen gehörte zu Hessen-Darmstadt. Für den nächsten entscheidenden Schritt in der Entwicklung Oberhessens war Napoleon verantwortlich. Es machte aus Landgraf Ludwig X einen Großherzog. Dieser nannte sich fortan Ludewig I und gebietete nun über Oberhessen. Die Fürsten und Grafen von Solms, die Stolbergs in Ortenberg und Gedern, die Erbacher Grafen und viele andere unterstanden nun dem Darmstädter Hof. Und weil diese neuen Darmstädter Gebiete  gar keinen direkten geografischen Zugang zu ihrem Machtzentrum im Süden Hessens hatten, sprach man von der Provinz Oberhessen. Ludwig – oder besser: Ludewig – machte kein schlechtes Geschäft. Noch im Jahr 1866 beschreiben die Karten Hessens das Gebiet um Büdingen, Lauterbach, Schotten, Butzbach, Nidda, Friedberg und Gedern als Provinz Oberhessen. 3300 Quadratkilometer Fläche umfasste die Provinz Oberhessen.

Im Jahr 1918 endet die Ära des Großherzogtums Darmstadt und damit der Zusatz Provinz für die Region Oberhessen. Fortan wird die Region nur noch als Oberhessen bezeichnet, auch unter dem Volksstaat Hessen. Mit der nächsten  Verwaltungsänderung spaltete sich Oberhessen in die Kreise Gießen, Alsfeld, Schotten, Lauterbach, Büdingen und Friedberg auf. In den fünfziger Jahren war der Begriff Oberhessen noch in aller Munde.

Auf alten Bahnhöfen kann man heute noch den Zusatz i. Oberh. erkennen. Dieses „in Oberhessen“  wurde auch für Firmenbezeichnungen verwendet. Trotzdem geriet Oberhessen fast in Vergessenheit. Seit den neunziger Jahren versucht eine kleine, aber durchaus überzeugte Gruppe von Politikern, Wirtschaftsleuten und Privatpersonen, Oberhessen wieder in das Bewusstsein der Menschen zu rücken und mit Leben zu füllen. Die Kommunen Nidda, Schotten, Echzell, Gedern, Hirzenhain, Ortenberg, Büdingen, Limeshain, Ranstadt und Glauburg bilden den neuen Kern der Region Oberhessen. Als Verein wollen sie gemeinsam kulturelles Leben und wirtschaftliche Kraft fördern.