Eine Rarität: Edelkrebse aus Oberhessen
Björn Kral züchtet erfolgreich im Läunsbachtal Edelkrebse

Wer Krebse züchten will, dem darf Schmerz nichts ausmachen. Wenn Björn Kral in eines seiner vielen Becken greift, um einen Flusskrebs herauszuholen, dann kommt es schon mal vor, dass dieser mit all seiner Kraft und seinen beiden kräftigen Scheren kneift. Verwunderlich ist das nicht, denn ab und zu endet das Leben der Krebse in einem Kochtopf. Aber nur ein geringer Teil der Krebse ereilt dieses Schicksal. Vielen ist ein Weiterleben in der freien Natur vergönnt. Björn Kral arbeitet gemeinsam mit zahlreichen Mitstreitern daran, den Edelkrebs in hessischen Gewässern wieder heimisch zu machen. Einer dieser Mitstreiter ist Christoph Dümpelmann. Der Fischbiologe und Sachverständige für Fischereiwesen begleitet seit vielen Jahren Flusskrebsprojekte in Hessen. Sowohl in den Gewässern der Lahn als auch in der Rhön werden die ehemaligen Fluss- und Teichbewohner wieder angesiedelt. Noch vor wenigen Jahren kamen die eingesetzen Krebse aus Bayern, heute kommen sie für das hessische Lahnsystem aus dem Läunsbachtal bei Schotten.

Angefangen hat die Wiederansiedlung im Gewässersystem der Lahn in Hessen mit einer Diplomarbeit, die sich mit der Frage beschäftigte, wie es denn um den Bestand der Flusskrebse bestellt ist. Mittlerweile ist man damit beschäftigt, in diesen Gewässern den europäischen Edelkrebs, den Astacus astacus, wieder anzusiedeln. Sogar genetischen Untersuchungen wurden vorgenommen und ausgewertet.

Bis in das 19. Jahrhundert war der Edelkrebs in Deutschland Grundnahrungsmittel. Er war in jedem Gewässer zu Hause und vermehrte sich prächtig. Der Astacus astacus stand auf dem Speiseplan von Fürsten und Bauern. Ende des 19. Jahrhundert begann die Katastrophe. Um 1880 wurden amerikanische Krebse in Deutschland ausgesetzt. Diese Krebse übertragen eine Krankheit, an der die Edelkrebse sterben. Die amerikanischen Krebse selbst sind gegen diese Pilzkrankheit resistent. Diese sogenannte Krebspest verbreitete sich in Deutschland und in ganz Europa rasend schnell. Die Krankheitserreger vernichteten viele  Populationen in Deutschland fast vollständig. Nur in einigen wenigen Gewässern, die ohne Verbindung zu verseuchten Gewässern waren, überlebten einige Tiere. In Deutschland wird der Edelkrebs in der so genannten Roten Liste als vom Aussterben bedroht aufgeführt.

Das Problem: Die Krebspest ist auch heute noch allgegenwärtig, die sich weiter ausbreitenden amerikanischen Flusskrebse machen eine breite Wiederansiedlung schwierig. Die Pilzkrankheit ist unheilbar und eine vorbeugende Maßnahme gibt es nicht.

Im Läunsbachtal, ganz in der Nähe des Schottener Stausees, ist die Welt für die Edelkrebse noch in Ordnung, zumindest in den Anlagen und den Teichen von Björn Kral. 2005 hat er mit der Krebszucht begonnen. Zunächst mit einer kleinen provisorischen Anlage. Heute betreibt er eine beachtliche Anlage mit zahlreichen Aufzuchtbecken.

Die Stromkosten für die Pumpen sind immens, der zeitliche Aufwand beträchtlich. Erst recht, wenn man wie Björn Kral die Zucht nur als Hobby betreibt. Für die Zucht von Edelkrebsen benötigt man viel Wasser. Wasser gibt es im Vogelsberg reichlich, klar und frei von Pestiziden – ideale Voraussetzungen für die Tiere, die besonders gegen Giftstoffe sehr empfindlich sind.

Neben der Fähigkeit, Schmerzen auszuhalten, ist Geduld ist eine weitere Eigenschaft, die ein Krebszüchter haben sollte. Anders als bei der Fischzucht, rechnet man bei der Krebszucht in Jahren. Es dauert mindestens drei Jahre, bis die Tiere ihre Größe von bis zu 15 Zentimeter erreicht haben. Nach der Paarung im September tragen die Weibchen bis zu 200 Eier an ihrem Unterleib. Im Mai und im Juni schlüpfen die jungen Krebse. Im ersten Jahr häuten sich die Tiere bis zu zehnmal. In diesem ersten Jahr werden sie Sömmerlinge genannt, da sie einen Sommer alt sind. Die einjährigen Krebse, häuten sich vier bis fünfmal. Im dritten Lebensjahr gibt es nur noch zwei oder drei Häutungen. Björn Kral füttert seine Krebse mit frischem Fisch und Karotten. Entgegen einer landläufigen Meinung sind Edelkrebse keine Aasfresser, sie sind nicht das „Putzkommando“ von Teichen und Flüssen, sondern fressen Kleintiere im Gewässer, Algen, Wasserpflanzen, ins Wasser gefallene Blätter und selten – wenn sie ihn finden – auch mal einen toten Fisch. Dieser muss aber frisch tot sein, ansonsten wird er verschmäht.

Nach einem Jahr werden die kleinen Sömmerlinge in die Teiche ausgesetzt und dürfen hier weiter wachsen. Da die Krebse beim Essen weder Freund noch Feind kennen und auch vor der eigenen Verwandschaft nicht halt machen, ist es wichtig, die größten Tiere aus den Teichen zu entnehmen. „Damit die Kleinen nicht gefressen werden, müssen die Großen raus. Die Bestandsdichte wächst, wenn man große Krebse herausnimmt. Das klingt zwar etwas paradox, ist aber so“, erklärt der Krebsspezialist. Dass er mit dieser Maßnahme auch Geld verdient, ist mehr als ein willkommener Nebeneffekt, denn besonders die großen Tiere sind bei Gourmetköchen besonders beliebt. Sogar in Töpfen von Sterneköchen landen die Krebse aus dem Läunsbachtal. Hauptsaison für diese kulinarische Köstlichkeit sind die Monate Juli, August und September. Björn Kral fängt seine Krebse mit Reusen.

Oberhessische Flusskrebse sind eine Delikatesse.

Manchmal werden auch Krebse angeboten, die aus abgelassenen Karpfenteichen entnommen wurden. Davon hält  er aber nichts. Das Problem hierbei ist der Schlamm, der sich in den Kiemen der Tiere festsetzt und den Geschmack verdirbt. Mehr und mehr bereichert der Edelkrebs wieder sie Speisekarten der guten Restaurants. Was in Deutschland so langsam wieder in Mode kommt, ist in Schweden schon seit langem beliebt. In den Spätsommermonaten werden nicht Würstchen auf den Grill gelegt, sondern Krebse gekocht. Dass die Edelkrebse von Björn Kral besonders lecker sind, wissen nicht nur die Feinschmecker in ganz Hessen, sondern auch die Waschbären im Läunsbachtal. Nicht selten dezimieren sie bei einem nächtlichen Besuch die Bestände. Ein Trost für den Züchter: Vermutlich bekommen die Waschbären auch die Schärfe der Scheren zu spüren.