Von dem alten Pallas zur neuen Burghalle
Der letzte Verwaltungsbeamte von Hessen Darmstadt verließ die Burg 1824

Als der letzte Verwaltungsbeamte von Hessen Darmstadt, der Amtskeller Biersack, im Jahr 1824 die Burg Lißberg verließ, standen neben dem alten Turm nur noch wenige Gebäude der prächtigen Burganlage. Der Amtskeller Biersack wohnte in dem alten Pallas, dessen Bausubstanz schon seit vielen Jahren sehr bedenklich war. So wunderte sich in Lißberg niemand darüber, als nur wenige Wochen nach dem Auszug der alte Pallas mit Getöse in sich zusammenstürzte. Die Burg war fortan verlassen.

Für die Lißberger war das nicht das schlechteste. Sie nutzen die Gelegenheit und bedienten sich an den alten Steinen, die sie gut zum Bau ihrer eigenen Häuser gebrauchen konnten. Kaum einer hatte genug Geld, um einen Sandsteinbogen von einem Steinmetz kunstvoll behauen zu lassen. „Wenn man durch Lißberg geht und genauer hinschaut, dann erkennt man den einen oder anderen Stein der alten Burg im Mauerwerk so mancher Scheune“, schmunzelt Manfred Redling und zeigt auf seine eigene Scheune. Manfred Redling wohnt direkt unterhalb der Burg Lißberg. Gemeinsam mit Rudolf Beck bewahrt er Geschichtliches und Interessantes rund um den Ort und die Burg Lißberg. Beide betreiben ihr Hobby Geschichte mit viel Engagement und Leidenschaft. Rudolf Beck kann sich noch gut daran erinnern, wie die vielen Obstbäume, die im Burghof standen unter den Einwohnern jährlich versteigert wurden. Becks Großvater war Gemeinderechner und für die Versteigerung zuständig.

Schon früh übte die Burg eine große Anziehungskraft für Menschen aus, die sich mit dem Mittelalter beschäftigten oder einfach nur die besondere Atmosphäre einer alten Burgruine genießen wollten. Im Jahr 1958 fand hier ein Kreis-Zeltlager statt. Burg- und Feuerwehrfeste wurden veranstaltet. Immer mehr Menschen kamen, um hier zu Zelten und den Charme der alten Gemäuer zu genießen. Die Burg wurde zum Veranstaltungsort, heute würde man von einer „angesagten Location“ sprechen.

Ein besonderer Glücksfall für die Burg war der Besuch eines gewissen Kurt Reichmann. Der Frankfurter Graphik-Designer und leidenschaftlicher Spieler und Erbauer historischer Drehleiern veranstalte im Jahr 1973 auf Burg Lißberg das erste Drehleier-Festival. Seitdem findet jedes Jahr an Himmelfahrt dieses Festival statt. In den 90er Jahren wurde sogar ein Museum mit Drehleiern und anderen historischen Instrumenten in der ehemaligen Schule unterhalb der Burg eröffnet. Ein Geschenk von Kurt Reichmann. Auch Rudolf Beck hat sich vom Zauber der alten Drehleiern anstecken lassen und spielt seitdem dieses ungewöhnliche Instrument.

Bereits in den 60er Jahren errichteten die Lißberger auf ihrer Burg eine neue Burghalle. Diese war zwar aus Holz, bot aber genügend Schutz, falls es Petrus mal nicht so gut meinte. Anfang der 70er Jahre fiel die Burghalle einem Brand zum Opfer. Nur wenige Monate später wurde eine neue Burghalle errichtet.

Drehleier-Festival, Zeltlager, Theatervorstellungen – auf der Burg Lißberg finden viele Veranstaltungen statt. „Die Burg hat mit der neuen Burghalle ihre Anziehungskraft als Begegnungsstätte für Jung und Alt bewahrt. Sie zieht viele Menschen nach Ortenberg und damit auch nach Oberhessen“. Mit der sanierten Burghalle entstand auf der Burg eine Begegnungsstätte für Jugendliche, die hier das Leben in der Gemeinschaft kennenlernen. „Für uns ist die Burg ein ganz besonderes Kulturgut, das wir erhalten möchten“, so Ortenbergs Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring.

Einmal im Jahr erklingen von der Burgruine afrikanisch Trommelklänge und Gesänge. Auch das Afrika-Fest auf Burg Lißberg gibt es schon seit 1985 und ist mittlerweile ein fester Bestandteil im Terminkalender der Stadt Ortenberg.

Die Burg hat in all den Jahren nichts an ihrer Anziehungskraft verloren. Lediglich die alte Burghalle war alles andere als einladend und praktisch. Nach 40 Jahren war eine umfangreiche Sanierung mehr als notwendig. Und es sollte den Lißbergern ja nicht so gehen, wie dem alten Amtskeller Biersack, dem fast die Decke auf den Kopf fiel.

Dank des Engagements der Stadt Ortenberg, des Vereins Oberhessen und der europäischen LEADER-Fördermittel wurde die Burghalle in den Jahren 2011 und 2012 umfangreich saniert. Insgesamt flossen 150.000 Euro Fördergelder in dieses Projekt. 340.000 Euro betrugen die Gesamtkosten. „Eine gute Investition“, findet Bürgermeisterin Ulrike Pantring.

Für Rudolf Beck und Manfred Redling ist die neue Burghalle eine willkommene Station bei ihren Führungen auf Burg Lißberg. Auch bei schlechtem Wetter können die beiden dann von den alten Geschichten rund um ihre Burg berichten. Von dem verehrenden Brand von 1798, als die französische Armee angeblich aus Versehen den kleinen Ort in Schutt und Asche legte. Oder von der alten Ringwallanlage, die einst um die Burg führte, von den Kelten, die bereits hier gesiedelt haben und vielen anderen Ereignissen rund um die Burg Lißberg.