Taten statt Falten zählen
Senioren werden gebraucht!

Wie richtig dieser Satz ist, das belegt die Initiative zur Förderung bürgerlichen Engagements in Büdingen. Betrachtet man die Ideen und Projekte dieser Gruppe, muss man sich vor einem demografischen Wandel nicht fürchten. 

Alle reden vom demografischen Wandel. Unsere Gesellschaft wird älter und in Zukunft wird der Anteil der jungen Menschen zurückgehen. Wie geht man mit dieser Entwicklung um? Kann man gegensteuern? In Büdingen lautet das Motto: Munter und aktiv mit vielen kleinen Schritten der Entwicklung entgegentreten.

Von den ersten Vorboten einer Veränderung berichtet der Büdinger Dieter Egner: „Rinderbügen bekommt keine Fußballmannschaft mehr zusammen, in Diebach stellt der Gesangverein seine Arbeit vorerst mal ein, bald müssen Kindergärten wegen Kindermangel geschlossen werden“. Ganz besonders schlimm findet Dieter Egner, dass die Geburtsstation des Mathilden-Krankenhauses die Arbeit eingestellt hat. Zu wenig Geburten.

Anstatt sich bedauernd mit dieser Entwicklung abzufinden, haben die Büdinger am Förderprogramm des Bundesfamilienministeriums ‚Aktiv im Alter‘ teilgenommen. Daraus ist eine ProjektWerkStadt entstanden, die sich um die Förderung ehrenamtlichen Engagements in der oberhessischen Stadt kümmert.

Jüngere Menschen zieht es oft in die wirtschaftlich und kulturell attraktiveren Großstädte. Die Vorteile des Wohnens auf dem Lande, nämlich die Ruhe, die niedrigeren Lebenshaltungskosten und die Freizeitqualität, werden kaum noch wahrgenommen oder wiegen die Nachteile nicht mehr auf. „Das Dorf und die kleinen Städte müssen aktiver werden und die älteren Menschen, von denen es ja immer mehr gibt, können dafür einen wichtigen Beitrag leisten“, motiviert Dieter Egner. Warum sollten sich junge Familien keine Oma leihen können, wenn die alt hergebrachten familiären Strukturen nicht mehr vorhanden sind? Dies ist eine Idee, die bereits umgesetzt wurde, und zwar mit großem Erfolg. Fünf „Leih-Omas“ haben sich bereits gefunden. Vermitteln könnte man aber viel mehr. Die ProjektWerkStadt ist keine Ehrenamts­agentur, keine Nachbarschaftshilfe im klassischen Sinn und auch keine Senioren-Akademie. Aber dennoch ist sie von allem etwas. Es gibt Lese-Paten, es wird Theater gespielt, es werden Geschichten erzählt, es gibt ältere Menschen, die sich mit einem Brettspiel unterm Arm auf den Weg in das Krankenhaus machen und  vielen Patienten die Langeweile vertreiben. Ältere Menschen haben reichlich Erfahrung und noch mehr Wissen. Warum sollte man diese Erfahrung nicht ehrenamtlich weitergeben? Beispielsweise bei dem schwierigen Weg durch den Behörden-Dschungel. „Es gibt so viele Ideen, es geht nur darum, die Ideen auch umzusetzen und nicht erst abzuwarten, bis eine Beratungsfirma ein Konzept erstellt.“ Dieter Egner vertraut auf die Kreativität und die Bereitschaft der Menschen vor Ort. Dass dieses Vertrauen noch nicht enttäuscht wurde, beweist die Tatsache, dass sich bereits 25 ältere Menschen in der ProjektWerkStadt beteiligen.

Die Gruppe schaut schon jetzt gerne mal über den eigenen Tellerrand und lässt sich von Projekten in anderen Regionen inspirieren. „Es gibt ein Dorf, da haben aktive Kirchengemeindemitglieder eine Schule ‚wiedergegründet‘“, erzählt Dieter Egner begeistert. Der ehrenamtliche Projektleiter ist sich sicher, dass Ruhestand nicht gleich Stillstand bedeutet und rät älteren Menschen dringend, nicht die Falten, sondern die Taten zu zählen.

Kontakt: info@projektwerkstadt.eu oder 06043/4242

Für die Zukunft gerüstet
In Limeshain bereitet man sich seit vielen Jahren auf den demografischen Wandel vor

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2003 prognostizierte, dass die Einwohnerzahl im Limeshain bis zum Jahr 2020 um 6,5 Prozent zurückgehen werde. Schnell war den Verantwortlichen im Rathaus klar, dass man sich dieser Situation stellen müsse. Doch was war zu tun und welchen Weg konnte man einschlagen? Die Gemeinde schloss mit der Justus-von-Liebig-Universität in Gießen einen Kooperationsvertrag. Ziel sollte es sein, ein Stärken-Schwächen-Profil der Gemeinde Limeshain zu erarbeiten und dann die richtigen Weichen zu stellen. Im Rahmen einer Bürgerversammlung organisierte man schon 2008 eine Zukunftswerkstatt. Bürgermeister Adolf Ludwig sah eine starke Bürgerbeteiligung bei diesem Projekt als besonders notwendig. Tatsächlich beteiligten sich zahlreiche Bürger. Sie brachten Ideen ein, gründeten Arbeitsgruppen und formulierten viele Vorschläge. „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ Diese Frage beantworteten die Bürger in den zahlreichen Workshops und Sitzungen.

Eines dieser Ziele war es, das Angebot sowohl für junge Familien als auch für Senioren zu verbessern. Schnell formierte sich eine Initiative, die sich gemeinsam mit Politikern um eine Attraktivitätssteigerung der Spielplätze in den drei Ortsteilen von Limeshain kümmerte. Mehr noch: Limeshain bietet besonders günstiges Bauland für Familien. Für jedes Kind gibt es zehn Quadratmeter kostenlos (bis zu drei Kindern). Außerdem bietet die Gemeinde eine durchgehende Betreuung für Kinder vom ersten bis zum zehnten Lebensjahr. Ein weiteres großes Ziel: „Wir wollen, dass es in Limeshain keine Hindernisse für ältere Menschen und für Menschen mit einer Behinderung gibt.“ Für die nächsten Jahre hat sich Bürgermeister Ludwig zur Aufgabe gesetzt, alle öffentlichen Bereiche für diese Menschen zu optimieren. Das beginnt beispielsweise bei einem Angleichen der Bürgersteige an Verkehrsübergängen oder Bushaltestellen. Ein Gesamt-Verkehrs-Konzept für alle Ortsteile wird gerade umgesetzt. Eine Seniorenbeauftragte soll sich in Zukunft ausschließlich um die Belange von älteren Menschen kümmern.  In Limeshain will man dem Prozess des demografischen Wandels nicht tatenlos zusehen. Ganz im Gegenteil.  Mit viel Engagement der Bürger wurden wichtige Grundlagen für die Zukunft der Gemeinde gelegt.